„Respekt ist unsere Aufgabe"

(aus: Schlaglichter Nr.53/01)

Zur Wichtigkeit der Erziehung zu Toleranz – Interkulturelles Lernen in der DPSG

Die Reaktionen auf die Anschläge in New York zeigen die Notwendigkeit sich mit dem Thema interkulturelle Erziehung auseinanderzusetzen. In vielen westlichen Ländern nehmen Angriffe auf Muslime rapide zu, innerhalb Deutschlands werden muslimische Bürger und Bürgerinnen mittels Rasterfahndung unter Generalverdacht gestellt, der Islam als potentielle Bedrohung gesehen. Die Ordnung von Menschen nach Verwertungskriterien, wie im Statement vom bayrischen Innenminister Günther Beckstein, es gäbe „Ausländer, die uns nützen und Ausländer, die uns ausnützen" vernachlässigt die Gründe dafür, aus welchen Gründen Menschen fliehen und welche Mitverantwortung westliche Länder für diese Flucht haben. Außerdem wird die Unterscheidung zwischen „uns" und den „anderen" eingeführt, eine Unterscheidung die schwer nachzuvollziehen ist, vor allem wenn dieses „wir" auch nicht vor Ausgrenzung schützt (Stichwort „Sozialschmarotzer in der sozialen Hängematte").

Und was sagt die DPSG dazu?

Aus der internationalen Ausrichtung der Pfadfinderbewegung erwächst die Verpflichtung zur Solidarität mit Menschen anderer Länder: „Die reichen Länder in der Welt tragen mit ihrer großen wirtschaftlichen und politischen Macht eine besondere Mitverantwortung für das jetzige Weltwirtschaftssystem, das die Kluft zwischen Armut und Reichtum größer werden lässt. Die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg hat deshalb eine Verpflichtung zur Solidarität mit Pfadfindern anderer Länder in ihrem Kampf gegen Armut, Unterdrückung und Ausbeutung" (Ordnung des Verbandes, S. 20).

Diese Verpflichtung zur Solidarität beinhaltet, sich mit Entschiedenheit gegen (oben beschriebene und andere) Vorurteile und Parolen zu wenden und sich um eine „Veränderung der staatlichen Ausländerpolitik sowie der wirtschaftlichen und politischen Situation in der Bundesrepublik und den Entsendeländern" (Ordnung des Verbandes, S. 116) zu bemühen.

Neben der Wichtigkeit großer politischer und wirtschaftlicher Veränderungen hebt die DPSG das interkulturelle Lernen als wichtige Dimension in der Erziehung ihrer Mitglieder hervor.

Interkulturelle Erziehung

Das Konzept der interkulturellen Erziehung nimmt Bezug auf die Existenz einer multikulturellen Gesellschaft, welche sich spätestens mit der Anwerbung von Gastarbeiter/innen aus der Türkei, Jugoslawien etc. ab den 60er Jahren etabliert hat. Es wird davon ausgegangen, dass innerhalb der multikulturellen Gesellschaft Menschen vieler verschiedener Kulturen zusammenleben. Um dieses Zusammenleben möglich zu machen, tritt die interkulturelle Erziehung auf den Plan. Die interkulturelle Erziehung geht nicht davon aus, dass sich ‚Ausländer' einseitig an die Gegebenheiten in Deutschland anpassen sollen, sondern dass auch die einheimische Bevölkerung lernen muss: nämlich Fähigkeiten wie Toleranz und Solidarität.

Interkulturelle Erziehung in der DPSG

In der DPSG geschieht das Lernen von Toleranz und Solidarität in der konkreten Gruppenarbeit mit ausländischen Kindern und Jugendlichen oder internationalen Begegnungen: „Als Mitglied der Weltorganisation der Pfadfinderbewegung erkennt die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg eine besondere Chance darin, jungen Menschen die Vielfältigkeit der internationalen Beziehungen praktisch erfahrbar zu machen. Beginnt internationales Leben zunächst zu Hause in Kontakt mit Kindern ausländischer Arbeitnehmer, so weitet es sich in der Erfahrung internationaler Begegnungen mit ausländischen Pfadfinderorganisationen" (Ordnung des Verbandes, S. 16).

Dabei ist es wichtig Menschen nicht auf ihre ‚Kultur' zu reduzieren und auf diese Unterschiede festzuschreiben. Dadurch fällt nämlich die Wandelbarkeit von Kulturen und auch die Unterschiede innerhalb einer Kultur aus dem Blick. Was ist beispielsweise deutsche Kultur, wie hat sie sich herausgebildet und wer gehört dazu? Deutsche Kultur, ist das Schiller, Goethe, sind das die Werte und Normen des Grundgesetz, die Chaostage genauso wie die Love Parade, das Leben in einer Metropole genauso wie in einem kleinen Dorf, Skinheadaufmärsche und der Holocaust? Kulturen sind also keine festen und natürlichen Gebilde, die sich niemals mehr verändern. Sie entstehen und wandeln sich durch das Handeln von Menschen und diese Menschen sind meist sehr, sehr unterschiedlich.

Lernen von Toleranz gegenüber allen Menschen

Doch auch internationale Begegnungen und die Begegnung mit ausländischen Kindern und Jugendlichen in der Gruppenstunde machen nicht immun gegen rassistische Anschauungen, denn Kontakte allein führen nicht zum Abbau von Vorurteilen. Was wichtig ist und was DPSG vermitteln kann, ist die Fähigkeit zur Toleranz, die alle Menschen respektiert, egal ob sie vielleicht auf den ersten oder zweiten Blick ‚anders' zu sein scheinen.

„Leben in tätiger Solidarität: Wir erkennen in jedem Menschen unsere Schwester oder unseren Bruder. Deshalb engagieren wir uns mit Behinderten, Ausländern und Menschen, die in Armut und Unterdrückung leben, für deren Belange. Wo wir leben, halten wir die Augen offen für Unterdrückung und Benachteiligung. Wir stehen den Menschen bei und kämpfen mit ihnen für eine gerechtere Ordnung" (Ordnung des Verbandes, S. 24).

Und was bedeutet all dies für die konkrete Gruppenstunde?

Im Gruppenstundenalltag können Kinder und Jugendliche lernen, den anderen Menschen als Bruder oder Schwester anzusehen und damit als gleichwertig zu betrachten. Unterschiede innerhalb der Gruppe müssen akzeptiert werden. Jeder und jede hat in der Gruppe das gleiche Mitspracherecht, egal ob älter oder jünger, gut in der Schule oder nicht, dicker oder dünner, arm oder reich und somit auch egal ob mit deutscher oder nicht-deutscher Staatsangehörigkeit.

In Gruppenstunden müssen Kinder und Jugendlichen darüber hinaus die Erfahrung machen, dass ihre Vorurteile nicht immer der Realität entsprechen, dass sich Frauen und Männer, Schwaben, Muslime, und auch Pfadfinderinnen und Pfadfinder nicht zwangsläufig auf die gleiche Art und Weise verhalten, sondern dass jeder Mensch in seiner Einzigartigkeit angesehen und anerkannt werden muss. Dies kann in spielerischer Art und Weise bei Kindern, aber auch über eine thematische Auseinandersetzung bei Jugendlichen erfolgen.

Durch konkrete Aktionen, die sich gegen Ausgrenzung, Diskriminierungen und Unterdrückung richten, kann der Verpflichtung zur Solidarität Rechnung getragen werden. Hier ist eine Zusammenarbeit mit Flüchtlingsinitiativen, Obdachlosenheimen u.v.m. möglich. Das Friedenslicht 2001 beinhaltet Ansatzpunkte zur Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg und Frieden und soziale Ungerechtigkeit und schafft darüber hinaus Möglichkeiten, sich über die Weitergabe des Lichtes an Altenheime, Flüchtlings- und Asylbewerberheime, Behindertenheime usw. mit Menschen, die oftmals Ausgrenzung erfahren, solidarisch zu zeigen.

Schließlich tragt Ihr auch durch das Unterstützen von Solidaritätsaktionen wie ‚Jede Münze hilft' dazu bei „die Welt ein wenig besser zu verlassen, als ihr sie vorgefunden habt" (Baden-Powell).

Sophie Schmitt

DruckansichtTeilen auf TwitterTeilen auf Facebook Letzte Aktualisierung: 12-05-2005

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