Von der Kunst, mich und andere zu motivieren

(aus: Schlaglichter Nr.60/03)

Jeder weiß etwas mit dem Begriff ‚Motivation‘ anzufangen. Vor allem weiß jeder, ob er motiviert ist oder nicht: Niemals könnte ich mich für mathematische Aufgaben motivieren, aber ein neues Brettspiel zu rezensieren, dazu bin ich jederzeit motiviert. Schwieriger ist schon die Frage, wie ich andere zu etwas motiviere: die Juffis etwa, am Wanderlager im Herbst teilzunehmen, die Leiterrunde, regelmäßig zu den Treffen zu kommen und die Eltern, für den Stammestag Kuchen zu backen. Motivation ist ein Modewort geworden, und wer andere stets zu motivieren weiß, hat eine Zauberformel gefunden.

"Auf der Suche nach dieser Zauberformel begegnet man zunächst der Frage, was Motivation denn eigentlich bedeutet."

Und schon wird’s kompliziert: es gibt nämlich verschiedene Formen, die ‘intrinsische‘ und die ‘extrinsische‘ Motivation nämlich. ‘Intrinsisch‘ heißt: ich tue etwas aus einem inneren Antrieb heraus, der Grund für meine Motivation kommt aus mir selbst, entspringt einem inneren Bedürfnis oder beispielsweise Neugier. Als neuer Bildungsreferent bin ich zum Beispiel hoch motiviert, zu möglichst vielen StaVo-Treffs zu fahren, weil ich unheimlich neugierig bin, mit wem ich es in den nächsten Jahren zu tun haben werde.

Daneben gibt es die ‚extrinsische Motivation‘, bei der ein äußerer Anreiz den Antrieb auslöst. Manche Eltern gehen etwa dazu über, Kinder für eine Tätigkeit im Haushalt zu entlohnen, also: Einmal Rasen mähen bringt fünf Euro. Das Kind hilft seinen Eltern dann, weil es durch die Entlohnung motiviert ist. Anderes Beispiel: Wer als Student in eine andere Stadt zieht, tut dies meistens ebenfalls nicht aus Neugierde, sondern weil er für sich Möglichkeiten der persönliche Weiterbildung sieht: eine extrinsische Motivation. Extrinsisch motiviert sind also auch Leiter, wenn sie bestimmte Fortbildungsmaßnahmen oder Angebote der Bezirke wahrnehmen: ein äußerer Anreiz lockt sie zur Teilnahme. Bietet das Leiterwochenende eines Stammes keinen solchen Anreiz, es ist also zum Beispiel ein pures Fun-Wochenende oder dient nur den Interessen des StaVos, dann muss schon viel intrinsische Motivation vorliegen, etwa Lust darauf, mit den Mitleitern mal wieder ein nettes Wochenende zu verbringen, um dennoch teilzunehmen. Oft reicht dieser Antrieb nicht aus, zumal ich Spaß mit den Mitleitern effektiver wahrscheinlich woanders haben kann, indem ich mich abends in einer Kneipe zum Bier verabrede beispielsweise. Dann rufe ich nur die an, die ich wirklich mag, und habe zudem den übrigen Tag für wichtigeres zur Verfügung.

„Keiner wird Leiter bezahlen wollen. Aber wer Zeit investiert, sollte etwas davon haben.“

Wer andere motivieren will, achtet also am besten immer darauf, ausreichende extrinsische Anreize zu setzen. Ohne dabei zu übertreiben natürlich: Keiner wird Leiter bezahlen wollen. Aber ob Leiter oder Gruppenkind: Wer Zeit investiert, sollte etwas für sich davon haben. Wer nicht mehr weiß, wofür er etwas tut, wird bald damit aufhören.

Motivation setzt sich aus drei verschiedenen Elementen zusammen. Zunächst steht am Anfang die Frage: Was will ich erreichen? Wer auf diese Frage keine Antwort gibt oder geben kann, der braucht gar nicht weiter zu denken. Das zweite Element ist der Aufwand: Wie hart muss für die Erreichung des Zieles gearbeitet werden? Das führt direkt zum dritten Element: der zeitlichen Ausdauer. Wie lange muss das Interesse halten, welcher zeitliche Aufwand muss betrieben werden?

„Ein guter Titel einer Veranstaltung muss locken und halten, was er verspricht“

Wer sich und andere motivieren will, muss darauf achten, dass es auf alle drei Fragen eine stimmige Antwort gibt. Kein Leiter fährt zu einem Leiterwochenende, wenn er nicht weiß, wofür und wozu. Gerade deshalb sind Überraschungsprogramme so gefährlich: Kindern das Programm im Voraus nicht verraten zu wollen („das erfährst Du noch früh genug!“), wie ich das aus meinem alten Stamm kenne, führt unweigerlich zu übersteigerten Erwartungen und Enttäuschungen (es widerspricht auch völlig den pfadfinderischen Grundsätzen, nur nebenbei). Ein guter Titel einer Veranstaltung muss locken und halten, was er verspricht: also keine missverständlich formulierten Ziele oder Mogelpackungen.

„Aufwendige Aktionen und Materialschlachten führen oft nur dazu, dass hinterher alle völlig ausgebrannt in ein Loch fallen“

Aber auch der Aufwand und der zeitliche Rahmen muss locken und halten, was er verspricht. Das bedeutet zunächst natürlich, dass Zeit ein begrenztes Gut ist, und wer viel Zeit investieren muss, der braucht schon eine unheimlich hohe Motivation. Gleiches gilt auch für enormen Aufwand: hier stimmt sehr gut der abgeschmackte Spruch: „weniger ist mehr!“ Aufwendige Aktionen und Materialschlachten führen oft nur dazu, dass hinterher alle völlig ausgebrannt in ein Loch fallen. Man schuftet und hat zwangsläufig das Gefühl, die Arbeit sei nicht genug gewürdigt worden. Dazu beschleicht einen das Gefühl, die Teilnehmer hätten es auch eine Nummer kleiner schon toll gefunden. Stets ‘Highlights‘ setzen zu wollen bedeutet auch, einen enormen Druck aufzubauen. Nachhaltige Planung vermeidet solchen Aktionismus. Viele kleine Veranstaltungen sind dann oft für alle Beteiligten angenehmer.

Zeitlich aufwändige Aktionen und Projekte sind zudem oft unüberschaubar und werden dann abgelehnt. Nicht nur die letzte Shell-Jugendstudie, sondern eigentlich fast alle Ehrenamts- und Motivationsstudien betonen die Wichtigkeit der Begrenzung. Ich muss wissen, wann und warum ich was mache – und wann es wieder vorbei ist. Das schafft Sicherheit und erhöht damit die Motivation.

„Ich muss wissen, wann und warum ich was mache – und wann es wieder vorbei ist“

Wer weiß nun aber, was Kinder, Jugendliche, Erwachsene wollen und was nicht? Wer kann mir sagen, welche Bedürfnisse ich ansprechen und mit meinen Themen wecken kann? Nun, zunächst natürlich nur die Zielgruppe selber. Nichts ist also sinnvoller, als sich vor einer Veranstaltungsplanung damit auseinander zu setzen, mit was für einer Zielgruppe ich es zu tun habe, und was die typischen Merkmale dieser Zielgruppe sind: also alterstypische Interessen (Wölflinge finden etwa die Disco mit Konservenmusik schon toll, für Rover darf’s gerne auch eine Live-Band sein, für Wölflinge ist das Sommerlager auf Ameland sicher ein Kracher, die Rover wollen vielleicht lieber auf’s RoverMoot) und zielgruppenspezifische Rahmenbedingungen (Schulkinder können z.B. schon nachmittags, für Leiter ist eine Veranstaltung ab Freitagmorgen sicher nicht günstig). Dazu kommt die Gruppendynamik: Wie ist die Gruppe drauf? Kennt man sich schon gut, gibt es ein Gruppenfeeling, oder muss zuerst etwas für die Gruppenenergie getan werden (eine Anregung dazu in der Rubrik Bücherkiste)? Ein gutes Gruppenklima ist oft der beste Motivator, während schlechte Stimmung zu den Demotivatoren erster Güte zählt.

„Ein gutes Gruppenklima ist oft der beste Motivator“

Wer sich mit diesen Faktoren nicht auseinander setzt, der wird von ihnen gefressen, will sagen: Er oder sie bleibt mit seiner Motivation alleine. Manche Forscher gehen von einem Widerstreit zwischen Motivatoren und Demotivatoren aus: da kommt es darauf an, möglichst viele Motivatoren zu setzen, an Hand der oben beschriebenen Elemente und Fragen. Wieder andere Forscher gehen von Bedürfnis-Pyramiden aus, in denen die Grundbedürfnisse nach Nahrung, Getränken etc. die Grundlage bilden, auf der höhere Bedürfnisse wie Schutz, Sicherheit, soziale Kontakte/Liebe und ganz oben Selbstachtung, Selbstverwirklichung und Erreichen von Lebenszielen stehen. Diese Theorien hier alle aufzuzählen und zu beschreiben, würde zu lange dauern; wer sich weiter damit beschäftigen will, kann im Diözesanbüro gerne Literaturtipps erfragen.

„Wenn ich vermitteln kann, dass DPSG-Arbeit die Befriedigung sozialer Bedürfnisse erfüllt, aber auch die Sehnsucht nach Achtung und Selbstverwirklichung, dann habe ich vielleicht ein wenig von dieser Zauberformel gefunden.“

Ein wenig davon finden wir auch in unserer DPSGArbeit. Leiter, Kinder und Jugendliche: Jeder will ernst genommen werden und wenigstens einmal ein bisschen wichtig sein – und das ist ja auch berechtigt und gesund. Warum sind Kinder und Jugendliche in unseren Gruppen, warum engagieren sich Leiter, warum bin ich siebzehn Jahre bei den Pfadfindern geblieben? Doch nur, weil dort elementare Bedürfnisse befriedigt worden sind: ich habe bei den Pfadfindern Freunde gefunden, mich verwirklichen können, bin respektiert und geachtet worden. Das ist die größte Motivation für mich und für andere: Wenn ich vermitteln kann, dass DPSG-Arbeit die Befriedigung sozialer Bedürfnisse erfüllt (nette Menschen in tollem Team), aber auch die Sehnsucht nach Achtung (hier wird jede und jeder mit seinen/ihren Ideen ernst genommen) und Selbstverwirklichung (verantwortungsvolle Aufgaben), dann habe ich vielleicht ein wenig von dieser Zauberformel gefunden, mit der ich mich und andere immer wieder motivieren kann.

Michael Ziemons, Bildungsreferent

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